Gemälde von Gerhard von Kügelgen zeigt Johann Christoph Friedrich von Schiller
Johann Christoph Friedrich von Schiller (1759-1805) prägte gemeinsam mit Goethe Weimar als Stadt der Klassik. Bildrechte: IMAGO / agefotostock

Dichter der Freiheit Friedrich Schiller: Diese sieben Werke sollten Sie kennen

09. Mai 2024, 04:00 Uhr

Mit Goethe begründete Friedrich Schiller einst Weimars Ruf als Klassikerstadt. Am 9. Mai 1805 starb er in Weimar. Schiller war Dichter, Philosoph, Historiker und Arzt. Seine Stücke "Die Räuber", "Kabale und Liebe" oder "Wilhelm Tell" gehören bis heute zu den meistgespielten deutschen Dramen. Seine Balladen sind mitunter noch Schulstoff. Und immer schon wurden sie gern parodiert. Diese sieben berühmten Werke sollten sie kennen:

Die Räuber

"Das Theater glich einem Irrenhause, rollende Augen, geballte Fäuste, heisere Aufschreie im Zuschauerraum. Fremde Menschen fielen einander schluchzend in die Arme...". So heißt es in einer berühmt gewordenen Rezension zur Uraufführung der "Räuber" 1782 in Mannheim. Der Verfasser des Stückes war ein unbekannter Regimentsmedikus aus Stuttgart – Friedrich Schiller, gerade 23 Jahre alt.

Cover der Erstausgabe von Schillers "Die Räuber" mit einem Löwen auf dem Titelblatt.
Erstausgabe von Schillers Erstling: "Die Räuber", 1782 feierte das Stück Uraufführung. Bildrechte: imago/United Archives

Darum geht's: Ganz Sturm und Drang ist in dem Stück der rebellische Karl Moor, der gegen Gesetze und Konventionen aufbegehrt, die zentrale Figur. Weil sein Bruder Franz ihn verleumdet, wird der einstige Lieblingssohn und Erstgeborene vom Vater enterbt, verstoßen, schließlich zum Chef einer Räuberbande, gar ein Mörder – am Ende muss er sich eingestehen, dass er Unrecht begangen hat, trotz seiner hohen Ideale. Auch wenn das Vokabular der Zeit heute teilweise schwer zu verstehen ist, vermittelt sich der literarische Aufbruch auch heute noch in der kraftvollen Sprache.

Sag ihnen, mein Handwerk ist Wiedervergeltung – Rache ist mein Gewerbe.

Karl Moor Friedrich Schiller: "Die Räuber"

Immerhin schrieb Schiller aus eigenem Frust: Zwar wurde er nicht vom Vater verstoßen, aber mit 13 in die "Militärakademie" des Württembergischen Herzogs Karl Eugen gezwungen. Acht Jahre verbrachte er in der "Sklavenplantage", wo nicht nur Drill auf dem Programm stand, sondern auch das Schreiben von Aufsätzen, in denen sich die Zöglinge für die Gnade bedanken sollten. Andererseits gab es dort auch einen Lehrer, der ihn mit Shakespeare und Rousseau, Lessing und Goethes Werther bekannt machte.

Bald nach der Uraufführung wurden "Die Räuber" ins Französische und Englische übersetzt. Sie kosteten ihn "Familie und Vaterland". Namhafte Regisseure von Piscator über Peymann bis Castorf haben das Stück über ausufernden Hass, Intrige und Amok, aber auch Freiheitsdrang auf die Bühne gebracht und ihren Zeitgeist darin gefunden.

Kabale und Liebe

Entstanden ist "Kabale und Liebe" im Dorf Bauerbach bei Meiningen. Der junge Schiller schrieb das Werk auf seiner Flucht vor dem Württembergischen Herzog Karl Eugen. Schiller, nun nicht mehr Karlsschüler, aber Militärarzt in dessen Diensten, hatte sich erneut unerlaubt nach Mannheim – also ins "Ausland" – entfernt. Nun drohten Arrest und Schreibverbot. Rund ein halbes Jahr lebte Schiller so inkognito vom 7. Dezember 1782 bis zum 24. Juli 1783 in dem kleinen Gutshaus der Henriette von Wolzogen, mit deren Söhnen er auf die Karlsschule gegangen war, vorsichtshalber unter dem Decknamen Dr. Ritter.

Das ehemalige Wohnhaus von Friedrich Schiller in Bauerbach
Nach umfangreicher Sanierung wurde das Schillerhaus in Bauerbach 2020 wiedereröffnet. Hier arbeitete Schiller u.a. an "Kabale und Liebe". Bildrechte: imago/imagebroker

Darum geht's: Typisch Sturm und Drang zeigt er die Gefühlswelt der Liebenden Luise und Ferdinand, die sich nicht lieben dürfen, von himmelhochjauchzend bis zu Tode betrübt. Das erste bürgerliche Trauerspiel rechnet ab mit der spätabsolutistischen Ständegesellschaft und bringt mit der schönen, aber mittellosen Luise, Tochter des Stadtmusikus Miller, "niederes Personal" auf die Bühne.

Nicht nur um eine tödlich endende Liebe zwischen Adelsspross und Bürgertochter geht es, sondern auch um Kabale: Intrigen, Korruption und Verschwendungssucht. Die Aristokraten mit ihren Hofschranzen wie dem dümmlichen Marschall von Kalb oder dem kriecherischen Sekretär Wurm geben kein gutes Bild ab.

Mein bist du, und wärfen Höll' und Himmel sich zwischen uns!

Ferdinand, Sohn des Präsidenten Friedrich Schiller: "Kabale und Liebe"

Auch heute ist das Stück noch viel gespielt, Schullektüre und hochaktuell, gibt es doch immer noch diverse schwer zu überwindende gesellschaftliche Schranken und Eltern, die ihre Konventionen über das Glück ihrer Kinder stellen. Am 13. April 1784 wurde das Stück in Frankfurt am Main uraufgeführt, auch in Mannheim war es ein Erfolg, doch Schillers Vertrag als Theaterdichter verlängerte der Intendant nicht.

Birgit Minichmayr 69 min
Bildrechte: picture alliance/dpa | Christoph Soeder

Ode an die Freude

"Freude schöner Götterfunken", so beginnen die vermutlich meistgesungenen Verse der Weltliteratur. Alljährlich zu Silvester wird die "Ode an die Freude" angestimmt. Dank der Vertonung durch Beethoven wurde Schillers Gedicht zu einem Welthit, das eigentliche Trinklied gilt auch als Europa-Hymne. Entstanden ist es in einem Bauernhaus bei Leipzig.

Im progressiven Bürgertum hatte der feurige Dichter inzwischen viele Bewunderer. Dazu gehörte der Jurist Christian Gottfried Körner, der den mittellosen Schiller 1785 nach Leipzig einlud und ihn in Gohlis, damals noch vor den Toren der Stadt, einquartierte. Friedrich Schiller verbrachte dort einen glücklichen Sommer, seiner Begeisterung ließ er in der Ode auf die Freundschaft und Brüderlichkeit freien Lauf.

Gohliser Schlösschen, Eingang Schillerhaus
Neugestaltet wurde das Schillerhaus in Leipzig-Gohlis 2023 wiedereröffnet. Bildrechte: Markus-Scholz

Wem der große Wurf gelungen, eines Freundes Freund zu sein; wer ein holdes Weib errungen, mische seinen Jubel ein!

Friedrich Schiller: "Ode an die Freude"

Ein halbes Jahrhundert später wurde aus dem Bauernhaus die erste Literaturgedenkstätte Deutschlands. Wiederentdeckt wurde Schillers Interim von Robert Blum, der den Leipziger Schillerverein gründete und so in der von Unterdrückung und Zensur geprägten Zeit des Vormärz das Verbot politischer Arbeit unterlief, ehe der Streiter für eine Republik am 9. November 1848 standrechtlich erschossen wurde.

"... zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?"

Wo Schiller auftrat, war offenbar immer was los. Bei seiner Antrittsvorlesung am 26. Mai 1789 an der Universität in Jena drängten sich hunderte Studenten im Auditorium maximum. Es waren bewegte Zeiten, nur noch wenige Wochen bis zum Sturm auf die Bastille am 14. Juli 1789 in Paris. Der Dramatiker war inzwischen auch als Historiker bekannt, dabei war der ausgebildete Militärarzt auf diesem Feld Autodidakt.

Nach seiner Schrift zur "Geschichte des Abfalls der Vereinigten Niederlande von der spanischen Regierung" von 1788 hatte ihn Goethe für den Lehrstuhl in Jena vorgeschlagen. Darin schrieb Schiller vom großen und beruhigenden Gedanken, dass "ein herzhafter Widerstand auch den gestreckten Arm eines Despoten beugen" kann. Nun erklärte er den Anwesenden, "zu welchem Ende" sie "Universalgeschichte" studierten: Um wahre Unsterblichkeit bei dem Versuch zu erlangen, "das Problem der Weltordnung aufzulösen und dem höchsten Geist in seiner schönsten Wirkung zu begegnen."

Friedrich Schiller Universität steht am Eingang des Hauptgebäudes der Universität in Jena
Bis heute ist die Universität in Jena nach Friedrich Schiller benannt. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

Die Geschichte ist überhaupt nur ein Magazin für meine Phantasie, und die Gegenstände müssen sich gefallen lassen, was sie unter meinen Händen werden.

Friedrich Schiller

Er wurde gefeiert, mit Vivat-Rufen und einer "Nachtmusik", wie er damals in einem Brief an seinen Freund Körner berichtet. Doch die Arbeitslast erwies sich als riesig, das Einkommen gering. Die Studenten blieben aus. Er publizierte Aufsätze, Kritiken, Übersetzungen. 1791 brach er gesundheitlich zusammen. Er ließ sich vom Posten als Professor wieder entbinden.

Aus der "Universalgeschichte" holte Schiller jedenfalls den Stoff für seine historischen Dramen. An "Don Carlos", "Wallenstein" und "Maria Stuart" arbeitete er in Jena, das er 1799 – inzwischen verheiratet mit Charlotte von Lengefeld und Vater von drei Kindern – gen Weimar verließ. 

Das Lied von der Glocke

Er sei nicht für die Welt des Hofes gemacht, "als unbedeutender bürgerlicher Mensch", dem schon allein die Garderobe fehlte, schrieb Schiller an einen Freund – und wendete sich dann doch an den Herzog in Weimar, wo schon Wieland, Herder und Goethe eine Stellung gefunden hatten. Tatsächlich wurde ihm ein kleines Jahresgehalt gewährt. Vor allem kam er auch Goethe näher.

Goethe und Schiller Denkmal in der Kulturstadt Weimar
Goethe und Schiller vereint im berühmten Denkmal vor dem Deutschen Nationaltheater Weimar (DNT), tatsächlich vereinte sie eine enge Freundschaft. Bildrechte: imago/Hans Blossey

Die Zusammenarbeit gipfelte 1797 im Balladenjahr, innerhalb weniger Monate entstanden in diesem frühen "Dichter-Battle" die bekanntesten deutschen Balladen, darunter Goethes "Zauberlehrling" und Schiller "Lied von der Glocke".

Fest gemauert in der Erden
Steht die Form, aus Lehm gebrannt.
Heute muss die Glocke werden ...

Friedrich Schiller: "Das Lied von der Glocke"

Darum geht's: Es geht nicht nur um das Handwerk des Glockengießens, das Schiller eingehend studiert und in der Ballade auch detailliert beschrieben hat. In 19 Strophen wird das Langgedicht zur Parabel auf Leben und Tod, zum Lob der Ordnung und zum Friedensappell. Der einst rebellische Schiller, der sich als Weltbürger sah und keinem Fürsten dienen wollte, stellt nun fest: "Wo rohe Kräfte sinnlos walten, da kann sich kein Gebild gestalten, wenn sich die Völker selbst befrein, da kann die Wohlfahrt nicht gedeihn." Und er zeigt sich bürgerlich-sittsam auch im häuslichen Bereich: "Drum prüfe, wer sich ewig bindet, ob sich das Herz zum Herzen findet!"

Es dürfte wohl nur noch wenige Schülerinnen und Schüler geben, die das "Lied von der Glocke" heute auswendig lernen. Viele Verse daraus sind Foklore. Überliefert in Sprichworten – und Parodien. Das Potenzial erkannten umgehend die Romantiker in Jena, die sich über den altväterlichen Ton und auch das Frauenbild lustig machten.

Wilhelm Tell

Noch mehr Sprichworte kommen aus dem "Wilhelm Tell", Schillers letztem Werk: "Früh übt sich, was ein Meister werden will", "Die Axt im Haus erspart den Zimmermann" oder der Rütli-Schwur sind ins kollektive Gedächtnis eingegangen. Goethe, der inzwischen auch Direktor des Hoftheaters in Weimar war, brachte seinen Freund auf die alte Geschichte.

Darum geht's: "Wilhelm Tell" handelt vom Schweizer Freiheitshelden, den brutalen Burgvogt Gessler und den Aufstand gegen die Habsburger Fremdherrschaft. Sogar mit Spezialkarten vertiefte sich der Dichter in die überlieferten Schauplätze. In Gang kommt das Drama mit einer der berühmtesten Theaterszenen: Der despotische Gessler hat auf dem Marktplatz in Altdorf einen Hut aufstellen lassen, der vom Volk zu grüßen ist. Tell weigert sich. Zur Strafe zwingt ihn Gessler, er solle mit Pfeil und Bogen einen Apfel vom Kopf seines Sohnes schießen. Tell gelingt das scheinbar Unmögliche. Er lässt Gessler wissen, dass andernfalls sein zweiter Pfeil ihn getötet hätte. Er wird erneut verhaftet, kann flüchten und tötet den Tyrannen später in der berühmten "hohlen Gasse".

Statur der Figur Wilhelm Tell in der Schweiz
"Vater des Vaterlandes": Tell-Denkmal im schweizerischen Altdorf aus dem Jahr 1895, dort soll sich einst der "Apfelschuss" ereignet haben. Bildrechte: imago/alimdi

Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern,
In keiner Not uns trennen und Gefahr.
Wir wollen FREI SEIN, wie die Väter waren!

Rütli-Schwur Friedrich Schiller: "Wilhelm Tell"

Uraufgeführt wurde das Stück 1804 in Weimar. Schiller habe damit seine Enttäuschung über die Französische Revolution ausdrücken wollen, heißt es. 1792 war er zum "Citoyen francais" ernannt worden. Als seine Ehrenurkunde fünf Jahre verspätet bei ihm eintraf, lebten die Männer, die die Urkunde unterschrieben hatten, nicht mehr – sie waren der Guillotine zum Opfer gefallen.

Fest steht, in Deutschland wurde es immer wieder in politisch bewegten Zeiten aufgeführt: zur "nationalen Bestätigung" oder als "Revolutionsstück", wie das DNT Weimar auf der Website zur letzten Produktion von Jan Neumann 2019 schreibt, nominiert war sie für den Deutschen Theaterpreis "Der Faust". Mit der Aufführung 1919 wurde das Weimarer Theater übrigens in Deutsches Nationaltheater (DNT) umbenannt.

Lange war "Wilhelm Tell" allerdings auch Hitlers Lieblingsstück, aus dem er sogar in "Mein Kampf" zitierte: "Der Starke ist am mächtigsten allein". 1941 ließ er die Aufführung verbieten. Schließlich konnte "Wilhelm Tell" doch als Aufruf zum Tyrannenmord verstanden werden.

Bei der Weimarer Premiere 2019 traten am Ende die Thüringer Intendanten auf die Bühne des DNT und meldeten sich mit einer "Erklärung der Vielen" zu Wort, als ein Plädoyer ist für ein aufgeklärtes Geschichtsbewusstsein, Toleranz und Respekt.

Der Antritt des neuen Jahrhunderts

Schiller selbst hatte vor seinem Tod am 9. Mai 1805 wohl ein wenig mit seinen humanistischen Idealen abgeschlossen. Er trug nun einen Adelstitel, was ihm egal war. Die Weimarer Verhältnisse engten ihn ein, die materiellen Sorgen waren geblieben, die Gesundheit höchst angegriffen. An seinen Schwager schrieb er, er sei "nicht willens in Weimar zu sterben". Aber anderswo war es auch nicht besser. In seinem Gedicht "Der Antritt des neuen Jahrhunderts" heißt es: "Freiheit ist nur in dem Reich der Träume".

Edler Freund! Wo öffnet sich dem Frieden,
Wo der Freiheit sich ein Zufluchtsort?
Das Jahrhundert ist im Sturm geschieden,
Und das neue öffnet sich mit Mord.

Aus: "Der Antritt des neuen Jahrhunderts" von Friedrich Schiller

Schillers Wohnhaus in Weimar. Das Bild zeigt seinen Schreibtisch im zweiten Stock des Hauses, in seinem Arbeits- und Sterbezimmer. Auf dem Tisch liegt eine handschriftlich beschriebene Seite des "Dimitrius", des letzten unvollendet gebliebenen Stücks, an dem Schiller bis kurz vor seinem Tod arbeitete.
Am 9. Mai 1805 starb Schiller in Weimar. Sein Wohnhaus ist heute Museum. Auf dem Tisch liegt eine handschriftlich beschriebene Seite des "Demetrius", an dem er bis kurz vor seinem Tod arbeitete. Es blieb unvollendet. Bildrechte: IMAGO/Jürgen Ritter

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Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Sachsen-Anhalt heute | 16. April 2024 | 19:40 Uhr

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