Ortschaftsräte 4 min
Sehen Sie hier den Fernsehbeitrag zu Ortschaftsräten aus der Sendung "SACHSEN-ANHALT HEUTE". Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Ein Beispiel aus dem Salzlandkreis Wenig entscheiden, viel bewegen: Was Ortschaftsräte bringen

Die Graswurzeln der Demokratie: Warum es Ortschaftsräte braucht

10. Mai 2024, 18:38 Uhr

Am 9. Juni sind in Sachsen-Anhalt Kommunalwahlen. Auch die Mitglieder des kleinsten Gremiums zur Mitbestimmung in den Gemeinden werden neu gewählt: die Ortschaftsräte. Entscheiden können sie wenig. Und in vielen Kommunen gibt es auch wenig zu verteilen. Trotzdem können Ortschaftsräte viel bewegen. MDR SACHSEN-ANHALT Reporter Tom Gräbe hat den Ortschaftsrat im Ascherslebener Ortsteil Mehringen besucht.

Tom Gräbe
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Ortschaftsratssitzung in Drohndorf, einem Ortsteil von Aschersleben. Eine typische Sitzung, wie sie tausendfach im ländlichen Raum stattfinden. Die Tische im Dorfgemeinschaftshaus sind in U-Form angeordnet. In der Mitte sitzen die Ortschaftsräte, an den Seiten Vertreter der Stadtverwaltung. Hier geht es um die tägliche, kleinteilige kommunalpolitische Arbeit: die noch nicht geschnittene Buchsbaumhecke am Friedhof, Baumpflanzungen am Ortsrand.

Ortschaftsratssitzung in Drohndorf
Ortschaftsratssitzung in Drohndorf. Bildrechte: MDR/Tom Gräbe

Die Ortsbürgermeisterin Sabine Herrmann arbeitet eine Liste ab. "Man ist ein bisschen lästig, aber das muss man sein, damit man den Aufgaben noch etwas bringen kann. Irgendwann wird's gemacht." Ortschaftsräte haben mitunter eine undankbare Aufgabe. Trotzdem läuft ohne sie nicht viel im Dorf, stellt Sabine Hermann fest.

Drohndorf: Ortschaftsrat setzt teuren Brückenneubau durch

Vor zwei Jahren hat der Ortschaftsrat den Neubau einer Flussüberquerung durchgesetzt, als Ersatz für zwei marode Brücken am Dorfrand.

Vorher/Nachher: Die alte und die neue Brücke in Drohndorf

Blick auf die Wipper bei Drohndorf, rechts im Bild eine marode Brücke
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Blick auf die Wipper bei Drohndorf, rechts im Bild eine marode Brücke
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Brückenneubau in Drohndorf
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Die dahinterliegenden Anwohner waren vom Dorf abgeschnitten und mussten weite Wege in Kauf nehmen. Sabine Herrmann und der Ortschaftsrat haben Stadträte eingeladen, Lobbyarbeit für den Brückenneubau geleistet, Mehrheiten gesammelt und die Anwohner mit ins Boot geholt. Gemeinsam haben sie ausgehandelt, dass Drohndorf vorerst auf die Sanierung von Straßen verzichtet, was seinerzeit im Eingemeindungsvertrag mit Aschersleben festgeschrieben wurde.

Die Anwohner der Straßen haben zurückgesteckt, damit die Brücken gebaut werden konnten. Ein Riesenprojekt. Und immerhin durfte der Ortschaftsrat die Farbe des Geländers aussuchen, witzelt Ortsbürgermeisterin Sabine Herrmann.

Ortschaftsrat verteilt Gelder

Das Ausverhandeln des Brückenneubaus hat lange gedauert. Deutlich schneller ging bei der Ortschaftsratssitzung die Verteilung von Geldern für die Vereine im Ort: 2.270 Euro für den Heimatverein, den Tanzverein, den Schützenverein und den Kulturverein. Das Budget ist überschaubar.

Die tägliche Kleinarbeit kommunalpolitischer Arbeit. Immer wieder beklagen Ortschaftsräte, dass sie kaum etwas zu entscheiden hätten. Die ehrenamtliche Tätigkeit sei zeitaufwendig, und Geld sei ohnehin zu wenig da. Trotzdem ist ihre Entscheidungsebene die Basis für kommunalpolitische Arbeit. Sie kennen die Bedarfe vor Ort – gerade weil die Stadtverwaltung in vielen Orten weit entfernt ist.

Informationen aus den Ortsteilen helfen Kommunen, effizienter zu arbeiten

Prof. Felix Rösel
Bildrechte: Kristina Rottig/TU Braunschweig

"Das sind eigentlich die Graswurzeln der Demokratie", sagt Dr. Felix Rösel, Professor für Volkswirtschaft an der TU Braunschweig. "Die sammeln die Stimmung vor Ort ein, die Anliegen vor Ort, und schauen, dass in der Einheitsgemeinde, die teilweise sehr groß sind, die lokalen Interessen auch gewahrt werden."

Ohne die Informationen, die aus Ortschaftsräten kommen seien solche großen Gemeinden wie Möckern, wie Gardelegen, mit 50 Ortsteilen und mehr eigentlich gar nicht handlungsfähig, so Rösel.

Ohne die Informationen, die aus Ortschaftsräten kommen, sind solche großen Gemeinden wie Möckern, wie Gardelegen, eigentlich gar nicht handlungsfähig.

Prof. Dr. Felix Rösel, Professor, TU Braunschweig

So große Strukturen könne man als Verwaltung gar nicht überschauen und erst recht nicht als Kommunalpolitiker, der im Gemeinderat sitzt, so Rösel.

Lokales Wissen entscheidend für Wirtschaftlichkeit

Generell scheint zu gelten: Wenn es Entscheidungskompetenzen vor Ort gibt, wirtschaften Kommunen effizienter. "Und da sieht man, dass lokales Wissen ganz entscheidend ist. Wenn ich also erst alle Informationen sammeln muss, wo brennt es dann am meisten?" Das helfe dabei, Prioritäten zu setzen.

Im Vergleich zu manchen Ortschaften ist Aschersleben ziemlich klein, mit einer Kernstadt und elf Ortsteilen. In jedem Ortsteil gibt es einen Ortschaftsrat. Die Arbeit ist an viele Regularien gebunden, und die Räte brauchen ein breites Wissen.

Drohndorfs Ortsbürgermeisterin Sabine Herrmann
Drohndorfs Ortsbürgermeisterin Sabine Herrmann macht sich für das Dorf stark. Bildrechte: MDR/Tom Gräbe

Ortsbürgermeisterin wünscht sich mehr Anleitung für Ortschaftsräte

"Ich glaube, was den Ortschaftsräten grundsätzlich fehlt, ist ein bisschen ein Handbuch", stellt Sabine Herrmann fest. "Und das ist ein bisschen Kritik, die vielleicht am Bund, am Land liegen kann, muss nicht unbedingt an der Kommune liegen, dass den Ortschaftsräten zu wenig an die Hand gegeben wird, dass man ein bisschen allein gelassen wird.

Sich einzuarbeiten, dauert lange. Sabine Herrmann versucht, ihre Ortschaftsratskollegen mitzunehmen. Es gibt viel Austausch. Hartnäckigkeit sei auch wichtig, sagt sie. "Wir bleiben halt immer dran." Und auch gegenüber der Stadt wird manchmal Kritik geäußert, wenn Aufgaben nicht erledigt sind und Zuständigkeiten unklar sind. "Aber man muss im Großen und Ganzen auch sagen, wir sind bis jetzt ganz gut klargekommen."

Auch nach der Kommunalwahl will sie weitermachen. Hartnäckigkeit hilft, sagt sie, und viel Reden. Viele Punkte auf ihrer Liste wird sie wohl wieder in die nächste Ortschaftsratssitzung einbringen.

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MDR (Tom Gräbe, Laura Sinem Hönes)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 10. Mai 2024 | 17:00 Uhr

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