Junge Frau bei Unterarmstützen Planks in einem Park in München.
Sportkleidung wird zwar auch, aber nicht immer nur zum Sport getragen. Bildrechte: imago/imagebroker

Activewear-Angst Sportkleidung online shoppen ist schädlich für das Körperbild von Frauen

29. Juli 2023, 16:41 Uhr

Leggings, Tops und Sport-BH: Obwohl sie wohl genauso oft beim Faulenzen auf der Couch getragen wird wie im Fitnessstudio, ist es doch auch das Image von einem dynamischen Lebensstil und guter Gesundheit, die Sportkleidung so beliebt macht. Als sogenannte Athleisurewear ist sie auch hierzulande in den Alltag von Frauen eingezogen. Doch zwei Studien zeigen jetzt, dass der Online-Einkauf der Kleidung schädlich für das Körperbild von Frauen sein kann. Forschende sprechen sogar von Activewar-Angst.

Die Corona-Pandemie hat der Athleisurewear weltweit zum Erfolg verholfen. Dabei handelt es sich um eine Art hybriden Sportbekleidungsstil, der typischerweise im Alltag getragen wird - aber natürlich auch beim Sport. Bis 2024 soll der weltweite Umsatz dem Forschungsteam der australischen Edith Cowan University zufolge voraussichtlich auf einen Wert von mehr als 548 Milliarden US-Dollar steigen.

Weniger selbstbewusst nach Sportkleidung-Shopping

Doch wenn Frauen solche Aktivkleidung online kaufen, kann das tatsächlich schädlich für ihr Körperbild sein, so das Team. Die Forschenden haben unter der Leitung von Psychologe Ross Hollett erstmals die psychologischen Auswirkungen des Online-Einkaufs von Sportkleidung untersucht. Dazu haben sie ein Eye-Tracking-Experiment gemacht.

Zunächst haben die rund 400 Probandinnen eine Befragung zu ihren Online-Einkaufsgewohnheiten, dem eigenen Körperbild und Selbstbewusstsein sowie ihren Tendenzen, das eigene Aussehen mit dem von anderen zu vergleichen, ausgefüllt. Fast alle hatten im Laufe ihres Lebens schon online Kleidung eingekauft, 80 Prozent hatten dies erst im Monat zuvor getan. Sie verbrachten etwa 90 bis 100 Minuten pro Woche damit, in Online-Shops nach Kleidung zu schauen. Dabei ist Sportkleidung mit am beliebtesten: Sie folgte auf Platz zwei direkt hinter Freizeitkleidung.

Frau mit Kartons und Laptop.
Sportkleidung wird gern Online gekauft. Bildrechte: Colourbox.de

Insgesamt 126 Frauen wurden dann nach dem Zufallsprinzip ausgewählt, um jeweils 15 bis 20 Minuten lang eine Website für Sportkleidung, Freizeitkleidung oder Wohnaccessoires zu durchsuchen. Anschließend wurden ihr Körperbild und ihr Selbstwertgefühl mithilfe einer Kombination aus Selbstbericht und Reaktionszeitmessungen analysiert. Für die Messungen nutzte das Forschungsteam die Eye-Tracking-Technologie, um das Blickverhalten der Frauen zu verfolgen. Denen wurde nun eine Reihe Bilder von Frauen gezeigt. Die Forschenden schauten dabei, ob das Anschauen der zuvor besuchten Websites die Fokussierung ihrer Aufmerksamkeit verändert haben könnte.

Tatsächlich konnten die Forschenden Unterschiede feststellen: Die Frauen, die zuvor auf einer Website für Sportkleidung waren, fühlten sich mit ihrem eigenen Aussehen schlechter und verspürten ein geringeres Selbstwertgefühl. Im Vergleich dazu führte das Stöbern nach Freizeitkleidung oder Wohnaccessoires aber nicht zu dieser Wahrnehmungsveränderung.

Frauen vermeiden nach Shopping den Blick auf den Körper

Die Anbieter für Sportkleidung nutzten bewusst körperorientiertes Marketing, um für ihre Produkte zu werben, sagt der Psychologe Hollett. Die seien außerdem tendenziell eng anliegend, figurbetont oder freizügig. "Vermarkter von Sportbekleidung verwenden oft Bilder von durchtrainierten Sportmodels, die so zugeschnitten sind, dass sie sich auf bestimmte Körperteile konzentrieren, zum Beispiel auf das Gesäß oder die Brüste", erläutert der Australier. Doch diese Art von Bildern könne für das Körperbild von Frauen schädlich sein, weil sie einen idealisierten und schwer zu erreichenden Körperbau zeigten.

Ein junge Frau in Sportkleidung zeigt auf ihren Bauch.
Kein Sixpack wie das Model? Der Vergleich kann schaden. Bildrechte: Colourbox.de

Das Experiment habe ein interessantes Aufmerksamkeitsmuster offenbart, als die Forschenden den Blick der Frauen auf die neuen Bilder nach dem Online-Shopping von Sportkleidung verfolgten, so Hollett. "Frauen, die nach Aktivkleidung suchten, schauten viel weniger auf den Körper." Stattdessen hätten sie im Vergleich zu den Frauen, die nach Freizeitkleidung suchten, bevorzugt in die Gesichter geschaut.

Ein möglicher Grund dafür könnte eben sein, so der Forscher, dass sie das unbewusste Gefühl hatten, ihr eigenes Körperbild würde durch das Ansehen der Shopping-Website bedroht. "Wenn das Körperbild gefährdet ist, ist es möglicherweise weniger wahrscheinlich, dass Frauen nach der Suche nach Sportbekleidung weiterhin auf die Körper anderer Frauen schauen, weil sie sich unwohler fühlen. "Wenn das Körperbild gefährdet ist, ist es möglicherweise weniger wahrscheinlich, dass Frauen nach der Suche nach Sportbekleidung weiterhin auf die Körper anderer Frauen schauen, weil sie sich unwohler fühlen", sagt Hollett.

Websites mit Bedacht auswählen - Händler sollten Strategie ändern

Das Forschungsteam rät jedoch aufgrund der Ergebnisse nicht gänzlich vom Online-Einkauf von Sportkleidung ab. Allerdings sollten Frauen die richtigen Websites auswählen, um negative Verstimmungen zu reduzieren. "Das Durchsuchen mancher Bekleidungswebsites könnte für Frauen das Risiko eines negativen Selbstbildes mit sich bringen, weil sie sich mit fitten und durchtrainierten Models in eng anliegender Kleidung vergleichen", bilanziert der Psychologe. Das könne wiederum zu längerfristigen Problemen wie Körperscham und Depressionen führen.

Hollett sieht auch die Händler in der Pflicht, negative Auswirkungen auf das psychische Wohlbefinden der Kundinnen zu minimieren. "Diese Erkenntnisse geben Anlass zur Erforschung alternativer Marketingstrategien", sagt er. Die müssten sowohl die Ziele des Händlers erreichen, aber gleichzeitig nicht das Selbstwertgefühls der Verbraucherinnen gefährden.

Links zu den Studien

Hollett, Ross C. et. al.: Experimental evidence that browsing for activewear lowers explicit body image attitudes and implicit self-esteem in women. In: Body Image, Volume 46, September 2023. DOI: https://doi.org/10.1016/j.bodyim.2023.07.004

Hollett, Ross C. et. al.: Gaze behaviour, body image in women and online apparel shopping. In: International Journal of Consumer Studies 2023. DOI: https://doi.org/10.1111/ijcs.12977

(kie)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Mein Körper | 19. April 2023 | 03:30 Uhr

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